Ich arbeite gern mit meinem PC. Nein, wirklich, ganz im Ernst. Er hat das gewisse Etwas, dass ich z.B. beim MAC, Amiga, Atari, Next, Sun vermissen wuerde.
Es schmerzt mich, ausgerechnet von Besitzern dieser Rechnertypen als besonders leidensfaehiger Mensch angesehen zu werden, der sich keinen richtigen Computer leisten koenne. Wo doch jedermann weiss, dass ein PC einfach schneller und besser, weil direkter, arbeitet. Eben keine brave Familienkutsche mit leistungsschluckender Automatik, sondern ein heisser Schlitten mit effektiver Handschaltung, der aus der Maschine das letzte Megahertz herauskitzelt.
Und das Wichtigste, ein PC macht einfach mehr Spass. Verantwortlich
dafuer zeichnet der Spielehersteller MicroSoft, bei vielen Anwendern beliebt
wegen des hohen Unterhaltungswertes seiner Programme (z.B. Silbentrennung
oder Rechtschreibkorrektur in Word fuer Windows). MicroSoft legt fuer wenige
hundert Mark jedem PC ein Spiel namens MS-DOS (MicroSofts
Datenverarbeitungs-
und Organisations-Simulator) bei. Wie ungerecht dieses durch
und durch vergnuegliche Programm attackiert wird, zeigt sich bereits an
den bewussten Missdeutungen der Abkuerzung 'MS-DOS': das reicht von 'Manche
Schaffens Dank Optimaler
Schulung' ueber 'Morgendlicher
Schreck Der
Ordentlichen Sekretaerin' bis hin
zu 'Mannigfaltiger
Schmerz Durch Offensichtliche
Schikane'.
So etwas koennen sich nur Leute einfallen lassen, die ihren Computer als droeges Werkzeug ansehen. Meiner Meinung nach trifft die liebevolle Uebersetzung 'Mehr Spass Dank Origineller Spielregeln' viel eher den Kern der Sache. MS-DOS sorgt dafuer, dass die Arbeit an einem PC nie in Routine erschlafft.
Ein simpler Vergleich zeigt die Ueberlegenheit diese Konzepts: will
der Besitzer eines Objekt-orientierten Rechners eine Datei kopieren, klickt
er lediglich auf das Icon und zieht es von einen Ordner in den naechsten.
Wie langweilig!!!.........
Welch herrlicher Nervenkitzel ganz im Sinne eines anspruchsvollen Adventure-Games
verspricht dagegen die Kopier-Funktion von MS-DOS. Dabei besteht die Aufgabe
des Spielers darin, richtige Dateien mit wertvollem Inhalt von einem Unterverzeichnis
in ein anderes Unterverzeichnis zu kopieren.
Nach den ausgekluegelten MS-DOS-Regeln muss der Spieler dann z.B. copy\texte\novemb\wirtsch
d:\archiv\texte\novemb eingeben und zum Spielstart die ENTER-Taste druecken.
Befindet sich die Datei wider Erwarten im gewuenschten Verzeichnis, hat
er gewonnen. Antwortet MS-DOS dagegen mit einem sibyllischen 'Befehl oder
Dateiname nicht erkannt', so hat eine schlichter Tippfehler den ersten
Versuch scheitern lassen. Aber - und das ist das schoene an MS-DOS - es
ist immer ein zweiter Versuch moeglich. Weniger Spielerfahrene machen jetzt
beim erneuten Eintippen wieder einen Tippfehler, vielleicht 'novem' statt
'novemb', worauf MS-DOS zwar listig meldet '1 Datei(en) kopiert', doch
auch dieser Versuch ist verspielt, wie ein Profi-Spieler weiss, denn MS-DOS
kopiert nicht ins Verzeichnis 'd:\archiv\texte\novemb', sondern in eine
Datei namens 'novem' im Verzeichnis 'd:\archiv\texte'.
Die Version von MS-DOS 3.3, mit der ich mich bisher amuesieren
durfte, erfuellte meine Ansprueche zur vollen Zufriedenheit. Fuer die Version
4.0 drohte MicroSoft allerdings mit einem drastisch verkuerzten Spielverlauf
und versah MS-DOS mit einer 'SHELL' (schnelle Hilfe erspart langes Leiden).
Meine anfaenglichen Befuerchtungen verloren sich doch schon bei der ersten
Erprobung: Zwar wurden die geheimen MS-DOS-Befehle wie 'copy', 'format'
und viele andere jetzt ueber Pulldown-Menues geradezu peinlich zur Schau
gestellt. Doch wer 'copy' ueber das Menue anwaehlte durfte aufatmen: eine
leere Zeile erschien und forderte wieder die buchstabengetreue Eingabe
des kompletten Befehls.
Da sage doch einer, dass die MicroSoft-Leute keinen Spass verstuenden.
Weil ausserdem Dank riesigen Speicherbedarfs seitens MS-DOS der Start anderer
Programme zur kniffligen Puzzlearbeit wurde, und raetselhafte Fehler
taeglich neue Denksportaufgaben stellten, freundete ich mich auch mit dieser
MS-DOS-Version an. Jetzt allerdings schien MicroSoft fest entschlossen,
mir den Spass zu verderben. So wurde in der MS-DOS-Version 5.0 die Faehigkeit
der 'SHELL' unnoetigerweise wesentlich erweitert. Verzeichnisse lassen
sich in zwei Fenstern gleichzeitig darstellen und werden damit geradezu
uebersichtlich. Gluecklicherweise grenzt MicroSoft die Funktionalitaet
solcher Auswuechse ein: Beim Kopieren zwischen zwei Fenstern ueber Tastaturbefehle
schlaegt MS-DOS nicht von sich aus das zweite Verzeichnis als Ziel vor,
sondern verlangt ausdruecklich die Eingabe von Laufwerk und Pfad. Allerdings
glaubte MicroSoft, einer Modewelle folgend, die 'SHELL' fuer den Mausgebrauch
optimieren zu muessen - ich konnte sogar den Namen der Datei anklicken
und sie durch einfaches Ziehen in das andere Verzeichnis kopieren. Aber
wer will das schon? Erheblich weniger Lustgewinn verspricht auch die neue
Hilfsfunktion von MS-DOS. Statt in dem bedauerlicherweise
sehr informativ gemachten, aber dafuer 800 Seiten starken Handbuch
blaettern zu muessen, lassen sich umfangreiche Erklaerungen zu Befehlen
der 'SHELL'
auch per Tastendruck 'F1' abrufen. Gluecklicherweise wollte MicroSoft
- alten Fans wie mir zuliebe - nicht so weit gehen, diesen Komfort auch auf
der DOS-Ebene zu bieten. Nach dem Prompt muss zumindest mit Schraegstrich
und Fragezeichen eingegeben werden. Das laesst immerhin einige Fehlerquellen offen.
Doch von solchen Lichtblicken abgesehen entspricht das neue MS-DOS kaum noch meinem Ideal von maximalem Spass bei minimalem Erfolg. Ich glaube ich werde demnaechst zu OS/halbe wechseln. Im Vergleich dazu sollen Objekt-orientierte Systeme bei den ausgebufften PC-Spielern nur gaehnende Langeweile werden.