Hamburg

Hamburg gehört zu den fünf Städten in Deutschland, bei denen die Einbildung der Bewohner der real existierenden Attraktivität um ein vielfaches voraus ist.
Was findet er denn eigentlich so spitzenmässig an seiner Gemeinde, der Hamburger?

Zuerst einmal: St.Pauli!
Na toll! Haben wir gelacht. Unter einer hauchdünnen Schicht verblichener Hans-Albers-Romantik blicken wir in ein Kriminellen- und Asozialenviertel voller hässlicher Gebäude und überhöhter Bierpreise. Stände der ganze Scheiss in Unna würden alle sagen: "Typisch Provinz!"

Dann gibt's noch den Hamburger Michel, auch nix Dolles, im Grunde nur irgendeine von diesen leeren Kirchen, wie sie überall wertvollen Parkraum in den Innenstädten verbauen.

Der Hamburger Dom hingegen ist überhaupt keine Kirche, sondern eine prollige Kirmesveranstaltung. Verkehrte Welt des Elbanrainers.

Ach ja, beinahe vergessen: Den Hamburger Hafen gibt's ja auch noch, warum auch nicht. Aber muss man deshalb ein feuchtes Gewerbegebiet romantisch verklären! Feiert Uelzen etwa jedes Jahr den Geburtstag seiner Zuckerrübenfabrik?

Der Hamburger aber ist ein unverbesserlicher Sehnsuchtsheini, jeder Piß wird zur maritimen Folklore hochgeschwiemelt. Irgendwie blickt jeder der zwei Millionen Fischköppe im Geiste immer auf's Meer hinaus.
Witzig, denn diese Stadt da oben liegt eigentlich nicht für zwei Pfennig am Meer, bei näherer Betrachtung genausoweit im Binnenland wie z.B. Neubrandenburg.

Das hindert den Hamburger aber nicht daran, das ganze Arsenal maritimer Horrorfolklore abzufeuern:
Shantychöre, ausgestopfte Fische, alberne Halstücher, doofe Mützen, rostiges Eisen und alles voller Netze: ewig singt die Haifischbar! Auf Segelschiffen faulige Zwiebäcke fressen oder unter Deck stinkende Heringe ausnehmen, das ist touristisch schon hundertprozentig durchgeschwiemelt.
Jetzt können die Elbkasper sich daran machen, die Containerschiffahrt folkloremässig aufzubereiten. Bald singt der Shantychor vom armen philippinischen Kuddel, dem ein 40-Fuß-Container auf die nicht versicherten Stelzen gefallen ist,
"de Masten so scheep es den Schipper sien Bein, to my hoday, to my hoday!"

Der Hamburger identifiziert sich jedoch nicht nur mit der ideellen Gesamt-Fischfrikadelle, sondern ist auch noch ,,Hanseat''. Was soll'n der Scheiß nun schon wieder?
Die Hanse war ein mittelalterlicher Krämerverein, der mit gerade mal schwimmtauglichen Äppelkähnen im wesentlichen auf der Ostsee herumkajohlte. Wenn ein Hamburger heute "hanseatisch" sagt, meint er damit aber was anderes: unterkühltes Understatement!
Logisch, hitzige Lebensfreude ist in dem Regenloch an der Unterelbe auch schwerlich zu entwickeln. Der Mann trägt gerne Nadelstreifen, und die Frauen sehen alle so aus, als ob in der Popeline-Abteilung von Jil Sander Ramschverkauf gewesen ist. Zu den gerne verbreiteten Märchen über Hamburger Deerns gehört, unter dem adretten Vorzimmer-Outfit schlummere, irgendwasglutheisse Leidenschaft zum Beispiel. Sagen wir so, ich will's mal hoffen für die Hamburger. Wenn nicht, können sie ja immer noch in die Herbertstrasse gehen oder sich beim ewig überschätzten FC St. Pauli das Hanseatische aus den Rippen schwitzen.

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